Lügde
Katholische Kirche St. Kilian
Lügde, kath. Kirche St. Kilian, Raumfassung im Langhaus, Nordseite, Ostfenster, Ausschnitt. Foto: LWL/Dülberg.
Lügde, kath. Kirche St. Kilian, Apsiskalotte, Wandmalerei, Maria und Johannes Ev., Ausschnitt. Foto: LWL/Dülberg.
Lügde, Katholische Kirche St. Kilian, Grundriss (durch Anklicken der roten Markierungen werden die Kartierungen geöffnet).
Baukörper
Kreuzförmige Basilika von zwei Langhausjochen im gebundenen System mit Hauptapsis, Nebenapsiden und etwas älterem Westturm.
Baudaten
Letztes Drittel des 12. Jahrhunderts. Vorgängerbau des frühen 9. Jahrhunderts mit späteren Erweiterungen. Der Westturm von ca. 1100 in den Neubau übernommen.
Romanische Raumfassung
In St. Kilian sind noch in großem Umfang Gewölbemalereien des sogenannten „Westfälischen Ausmalungstyps“ vorhanden. Die ornamentalen Gratbegleitbänder und die in drei Jochen aufwachsenden Lebensbaummotive zeigen in weiten Teilen die ursprünglichen Formen. Der originale Bestand ist nach seiner Freilegung 1939 nur ergänzt worden, fast das gesamte ursprüngliche Lineament ist, zumindest noch in reduzierter Form, ablesbar und nur verstärkend retuschiert. Die Vielfalt und Variation des verwandten Motivschatzes ist vor allem im Langhaus bemerkenswert, wo einzelne ockerfarbene und schwarze Partien innerhalb der ansonsten roten Lebensbaummotive eingefügt sind und sich noch Reste von Figuren finden, die - wie auch die Lebensbaummotive - auf das Paradies verweisen. Von der gemalten Architektur, die alle Fenster vom Kirchenschiff bis in den Chor rahmte, haben sich nur einige Reste erhalten, die heute bei genauem Hinsehen im Langhaus ausfindig gemacht werden können. Die Obergadenfenster werden seitlich eingefasst von gemalten Säulen, die auf einem unterhalb der Fenster entlangziehenden Blattfries fußen. Unter den Chorfenstern sind gemalte Wandbehänge platziert. Im übrigen Kirchenraum sind noch die scherenschnittartigen Umformungen der gemalten Bogenstellungen von 1939 zu sehen. Basen, Schäfte und Kapitelle sind als flächig aufgefasste Einzelteile auf den hellen Grund gesetzt, wobei Partikel originaler Farbsubstanz integriert worden sind.
Die gesamten Architekturglieder sind heute ockerfarben mit roten Fugen. Diese Farbigkeit ist nicht durch Befunde gesichert.
Figürliche romanische Wandmalerei
Chorapsis: In der Kalotte wenige Reste einer Majestas Domini, mit Heiligen zur Deesisgruppe erweitert, auf der Apsiswand Apostelreihe unter Architekturbaldachinen.
Werktechnik/Maltechnik
Die Vorzeichnung in gelbem Ocker erfolgte direkt auf den einlagigen, gut geglätteten, aber nicht getünchten oder geschlämmten Putz. Man kann davon ausgehen, dass der bereits trockene Putz zum Auftrag der Malerei frisch benetzt wurde. Für das flächige Auslegen einzelner Partien nahm der Maler wiederum gelben Ocker, bei den Aposteln auch Eisenoxidrot, einzelne Konturen wurden dann rot und hier und da auch schwarz nachgezogen. Der Auftrag von Bleimennige (jetzt verschwärzt) an den Nimben deutet auf Vergoldung hin, von der keine Reste erhalten sind. Die Hintergründe der Apostelfiguren und der Figuren in der Kalotte waren unter Verwendung des Pigments Azurit in Blau gehalten.
Restaurierungsgeschichte
Raumfassung 1939 freigelegt und restauriert, nochmals restauriert 1976 und 2010.
Die figürlichen Wandmalereien in der Chorapsis 1862 zum Teil und 1872/73 vollständig freigelegt und historisierend übermalt. Erneute Überarbeitung der Übermalung 1938. In der Apsiskalotte mussten aus statischen Gründen 1957 die wenigen romanischen Wandmalereireste nach Entfernen der Übermalung abgenommen werden. 1961 wurden diese replatziert und konserviert, das rekonstruierte Figurenprogramm der Kalotte in schemenhaften Umrissen in Grisaille auf Neuputz ergänzt und von der Apostelreihe darunter das südliche Figurenpaar ohne seine architektonische Rahmung freigelegt. Die Übermalung der restlichen Figurenreihe der Apsiswand blieb bestehen. 2010 erneute Konservierung des Bestands.
In den Bereichen mit sichtbarem romanischem Malereibestand sind besonders bei den Aposteln nur die teilweise freskal abgebundenen Erdpigmente der Vorzeichnungen und Binnenfarben erhalten geblieben. Die weitere Ausarbeitung der Malerei durch Feinzeichnungen, Modellierungen, Höhungen und Vergoldungen ist verloren.
Beschreibung und Ikonografie
In der Apsiskalotte war der heute verlorene thronende Christus in der von den Evangelistensymbolen umgebenen Mandorla dargestellt. Zu seiner Rechten stehen seine Mutter Maria mit erhobenen Händen und der jugendliche Lieblingsjünger Johannes, zu seiner Linken Johannes der Täufer und ein nicht erhaltener weiterer Heiliger, vermutlich der hl. Kilian als Kirchenpatron. In der schemenhaften Rekonstruktion der einstigen, durch die Heiligen zur Deesis erweiterten Majestas Domini treten die geringen romanischen Figurenreste der beiden Johannes und Marias deutlich hervor.
Auf der Apsiswand sind sechs Apostel jeweils zu Paaren unter einer durchlaufenden Baldachinreihe angeordnet. Links des Mittelfensters ist wegen des hier geringeren Abstands zwischen den Fenstern nur ein Apostel wiedergegeben. Man kann annehmen, dass sich die Apostelreihe auf den Chorjochwänden mit je einem weiteren Paar fortsetzte. Johannes in der Kalotte zählte vermutlich bei der Zwölfzahl mit. Die beiden freigelegten romanischen Apostel sind wegen fehlender Attribute nicht zu identifizieren. Beide stehen einander zugewendet im Dreiviertelprofil.
Kunsthistorische Einordnung
Die Faltengebung insbesondere der Apostel ist noch frei von Merkmalen des Zackenstils. Es sind schmal beginnende und breiter ausschwingende Pinselzüge, die weich nach oben umbiegen, also nicht die für den Zackenstil üblichen Haken, sondern eher rundliche, schlaufenartige Formen zeigen.
Die vielen festzustellenden Gemeinsamkeiten mit den Wandmalereien aus Neuenbeken - bis hin zu kleinen Details - machen für beide Werke einen gleichen Entstehungszeitraum wahrscheinlich. Ihre enge Zusammengehörigkeit kann als wichtiges Ergebnis der Untersuchung angesehen werden. Die wenigen erhaltenen Fragmente aus Lügde lassen sich damit einem größeren Kreis besser erhaltener Malereien anschließen. Die im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung erarbeitete Neudatierung der Neuenbekener Wandmalereien um 1210 unterstützt die Einordnung der Malerei in Lügde in das erste Viertel des 13. Jahrhunderts.
Datierung
Um 1210. Raumfassung in zwei Abschnitten um 1170 (Langhaus) und Anfang des 13. Jahrhunderts (Chor).